das heißt zwei tage. ich mache wieder stimmungen querfeldein durch.
gestern war ich unglaublich glücklich. ich hatte mir zwar grade durch eine schulaufgabe meine lateinnote versaut, aber danach war ich in weitsprung recht gut, hatte mit allen möglichen leuten rumgealbert und irgendwie schienen diese leute, die noch anfang des jahres jede bewegung von mir lustig fanden so einigermassen respekt vor mir zu haben, sie lachten mit, waren nett.
ich sehe schon seit langem auf dem schulweg immer drei jungs, die mitten im weg stehen. halblange haare, so alternativ, rauchend. irgendwie ist mir einer davon immer aufgefallen. warum ist mir nicht klar, aber als ich nach der schulaufgabe mit maria und anne richtung sanderrasen, wo wir sport haben, losging sah ich ihn mit ali an der bushaltestelle stehen.
mir ging es grade eh wunderbar, ich verstehe mich zum ersten mal seit monaten mit anne. und mit maria auch.
ich hatte mein che-guevara-t-shirt an und all die blöden kommentare, die ich erwartet hatte blieben aus. stattdessen las johanna „hasta la victoria siempre“ vor und meinte sie mag den spruch.
also jedenfalls ist ali eine punkerin, sagt sie zumindest. und sie hängt mit vorliebe am bahnhof rum. aber irgendwie mag sie mich trotzdem, aus unerfindlichen gründen. sie – natürlich – rauchte grade mit ihm und grinste mich an. ob ich kleingeld hätte. ich hatte welches, aber keine zeit anzuhalten und ausserdem brauchte ich das selber. also sagte ich nein, ging weiter mit maria und anne und unterhielt mich über die schulter noch weiter mit ihr. er beachtete mich nicht wirklich, machte aber nichts, weil eigentlich hab ich eh kein intresse an ihm. trug trotzdem zu meiner guten laune bei. einfach alles.
als ich dann in sport auch noch von meiner sportlehrerin – die normal daran arbeitet mich zu demotivieren, demontieren und seelisch zu zerstören – gelobt wurde war es schon fast zu viel des guten. da waren 20 minuten warten auf den bus egal, zumal ich drin wieder wen zum quasseln traf.
meine klavierlehrerin fragte dann nachmittags beim anblick meines t-shirts ob dieser guevara, von dem sie nichts weiß, ausser dass er wohl ein revolutionär war, denn wieder modern wäre oder ob das t-shirt noch von meinen eltern sei. nein, das habe ich mir selber gekauft. ist das wieder modern oder warum trägst du das? sie ließ sich nicht kleinkriegen bis ich erwähnte, dass meine mutter sowas auch mal in ihrer jugend getragen hat. wenn sie das glücklich macht.
zum klaver gehen macht mich normal glücklich. weil ich viele menschen treffe, menschen die ich anlächeln und grüßn kann. wenn sie dann zurücklächeln, dann fühle ich mich toll. weil die leute nicht feindseelig sind, wie so viele. weil sie keine vorurteile haben, sondern einfach zurücklächeln. manche sehen dann auch richtig glücklich aus. manchmal fühle ich mich, als müsste ich wenigstens bei einigen menschen die verbitterung über die jungen, unfreundlichen, bösen kinder aus dem kopf schaffen. ich saß einmal im bus, da gigns mir wirklich mies. und da lachte mich jemand an. ich kannte sie nur flüchtig und hatte das gefühl, sie wollte mir ein bisschen von ihrem glück abgeben. sie blinzelte(nicht zwinkerte) mir noch aufmunternd zu und ab da hatte ich wieder mehr mut für mein leben. manchmal braucht man nur ganz wenig.
normale menschen verstehen das nicht. ich teile die menschen in positive, neutrale und negative menschen ein. die positiven werden verstehen was ich meine.
jedenfalls lächel ich all diese menschen an und wenn ich merke, dass es jemand besser geht, dann geht es mir auch besser.
abends rief dann julia an, sie könne morgen nciht mit aufs u&d, weil ihre tante ne gartenparty feiert. ich wusste nicht ob ich ihr glauben sollte. an meinem geburtstag kam sie auch mit so einer ausrede nicht. vielleicht könnten wir ja mal wann anders was amchen. ja klar. sie will da eigentlich schon hin, weil das immer voll lustig ist. ja, viel spass dann. vielleicht findest du ja wen anderes, der mitgeht. ja, eventuell. am sonntag muss sie dann halt wirtschaft-recht lernen. ja, versteh ich, viel erfolg. nach diesem anruf war mein samstag ruiniert. den rest des abends verbrachte ich mit fernseh gucken. kabarett, mein nicht vorhandener intellektueller(schreibt man nicht so) anspruch, setzt sich durch. irgendwann gehe ich dann ins bett, sehr früh, aber ich bin um halb zwölf schon unvergleichlich müde und konnte mich selbst vor dem fernseh kaum wach halten.
am nächsten morgen bin ich dann viel zu früh aufgewacht und hab die ganze zeit darüber nachgedacht, dass ich in die bücherei muss. säumnisgebühren zahlen. noch sowas aus meinem früheren leben, das mich immer wieder einholt. ich bin so grausam vergesslich. ich habe seit fast einem jahr keine größeren gebühren mehr bezahlen müssen. damals war ich total unzuverlässig geworden, in der schule schlecht, machte meine hausaufgaben kaum noch, ich glaube ich steckte in einer mischung aus pubertät und internetsucht. ich mache mir nicht vor, dass ich das hinter mir habe, aber es ist nicht mehr so schlimm wie früher. ich war also völlig todmüde, wollte nicht aufstehen, musste aber, hatte die bücherei die ganze woche vor mir hergeschoben, was die rechnung natürlich nur erhöhte. dann hab ich mich zu allem überfluss mit meiner mutter gekracht, meinte haare waren abscheulich fett und ich auch sonst nicht grade hübsch. so ein tag an dem man sich weigert aus dem bett zu gehen.
aber ich nahm meinen ganzen noch vorhandenen mut zusammen und dachte: das steh ich jetzt durch.
an solchen tagen, wo ich mich verkriechen will, wo ich mich hässlich fühle, ziehe ich dann was weites an und mache mir einen zopf. versuche möglichst anders auszusehen, als sonst. nicht hübscher, einfach anders, eher hässlicher, hauptsache man merkt, dass das gar nicht so wirklich ich bin. ich denke das will ich damit signalisieren.
also packte ich einfach alles mögliche an büchern ein, nahm geld mit und ging blindlings zur bushaltestelle. ich mache das gerne, ohne zu wissen, ob und wann ein bus kommt. ich laufe gerne planlos durch die straßen und sehe die menschen hetzen. an anderen tagen lächle ich sie dann sogar an. freundlich, nicht höhnisch.
ich habe es tatsächlich geschafft niemandem zu begegnen. bin am theater ausgestiegen und gelaufen. nicht am bahnhof, da ist ali. nicht am barbarossa-platz, da ist phillip. bin auf der anderen straßenseite gelaufen, wo keiner ist. mein größter horror war ja, im bus jemandem zu begegnen. aber selbst da niemand. dabei hatte ich mich extra vorne hin gesetzt. ich nahm um meinen masochistischen trieb ausleben zu können, eine unfreundlich aussehende bibliothekarin. wenn schon, dann soll ich wenigstens leiden. aber sie war gar nicht gemein oder sowas. sie war freundlich, kaum vorwurfsvoll, verlängerte mir eminen ausweis kostenlos – ich dachte ich würde jetzt nicht mehr als unter 16 gelten und müsste zahlen. die gebühren waren dann auch viel weniger als erwartet. meine schlechte laune wurde etwas besser, auch wenn das mit dem langärmlig und unkenntlich anziehen wohl doch keine so gute idee war. jedenfalls wurde mir verdammt heißt.
meine lieblingszeitschrift hatte dann auch noch keine neue ausgabe. stattdessen kam ich auf die idee mir ein eis zu kaufen. was ich dann im hinblick auf meine linie sofort wieder verwarf. 20m später war ich zur feststellung gekommen, dass ich eigentlich mit meinem gewicht vollkommen zufrieden bin – zum ersten mal seit jahrtausenden. und ich eigentlich momentan auch ncith so schlecht aussehe. all die blöden leute haben mir mein selbstvertrauen zerschossen – und jetzt kommt es langsam wieder zurück. es ist unglaublich schwer, auch wenn es leicht klingt, aber ich versuche mich wieder zu einem normalen menschen zu entwickeln. schon seit einem jahr. voller rückschläge, aber es wird noch. es wird. da bin ich mir ganz sicher.